Wie werde ich sicherer im Umgang mit der allgegenwärtigen Unsicherheit des Lebens?

Julia Birgel

Coaching - Teamentwicklung - Persönlichkeitsentwicklung
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Auf neuen Wegen ist es wie beim Reisen. Manches ist planbar. Doch bei Weitem nicht alles.

Die Welt wird immer unsicherer und komplexer. Und wir müssen uns wappnen. Irgendwie umgehen damit. Und nicht durchdrehen. Mal eben resilient werden vielleicht. Oder einfach Kopf in den Sand? Ignorieren? Abwarten? Auch eine Strategie! Aber dazu kommen wir noch ... Die Notwendigkeit, sich mit Komplexität und Unsicherheit auseinanderzusetzen, ist nicht neu. Sie wird uns derzeit nur an jeder Ecke als neu verkauft. Angefeuert von Globalisierung, Vernetzung der Märkte, Digitalisierung, Work-Life-Balance – um nur einige Schlagworte zu nennen – glauben wir nun, dass wir die vermeintliche Sicherheit, von der wir denken, dass sie früher größer war, verloren hätten. Ich behaupte, dass lediglich die Illusion von Sicherheit immer größer wird, und es somit zunehmend schwerer wird, die unvermeidliche Unsicherheit zugunsten dieser Illusion zu verleugnen. Die Welt und das Leben an sich waren schon immer unsicher, unplanbar und unberechenbar. Warum ist es uns dann so wichtig, dass wir uns sicher fühlen? Warum mögen wir das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben? Weil Sicherheit ein Grundbedürfnis von uns Menschen ist, das wir nicht einfach abschütteln können. 

Wir kommen auf die Welt und – abhängig wie wir da nun mal sind – ist erst einmal Sicherheit das Wichtigste überhaupt, um zu überleben. Sicherheit in Bezug auf Nahrung, Schutz und Wärme, aber sichere Beziehungen zu feinfühligen und verlässlichen Bezugspersonen sind ebenso existentiell. Später, mit wachsender Fähigkeit zur Unabhängigkeit und Autonomie, gesellt sich im Normalfall das Bedürfnis nach Freiheit dazu. In diesem Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit pendeln wir ein Leben lang. Mit jedem Ausschlag in eine Richtung verlieren wir ein bisschen Boden auf dem anderen Pol, den wir tolerieren lernen müssen, um zwischen den Polen wandern zu können. Dieser Artikel fokussiert im Besonderen auf das Bedürfnis nach Sicherheit, bzw. auf das, was wir landläufig als Sicherheit bezeichnen.

Die erste Frage, die sich mir stellt, ist die, ob sich das Gefühl echter Sicherheit überhaupt in Worte fassen lässt? Und gibt es die Art von Sicherheit, die sich die meisten von uns irgendwie mehr diffus als klar definierbar wünschen, überhaupt? Versicherungen, sichere Arbeitsplätze, Fahrradhelme, Ehegelübde, klare Hierarchien, Prozesse und Berichtstrukturen in Organisationen, unzählige Apps zur Tagesplanung und Pünktlichkeitsoptimierung – all das sind Ausdrucksformen des Bedürfnisses nach Sicherheit. Und sie vermitteln uns tagtäglich vordergründig das Gefühl von Sicherheit und Berechenbarkeit.

Und so lange nichts wirklich Bedrohliches in unserem Leben passiert, gelingt es den meisten Menschen auch ganz gut, die Möglichkeit von Unsicherheit auszublenden. Wenn das gelingt, fühlen wir uns temporär – mehr oder weniger oberflächlich – auch sicher. Das Unterbewusstsein „weiß“ aber durchaus etwas über die allgegenwärtige Unsicherheit und wirkt mit diesem Wissen sozusagen ohne, dass wir bewusst etwas davon mitbekommen. Damit wir dieses Konstrukt im Alltag aufrechterhalten können, dass also das Bewusstsein so wenig wie möglich von der eigentlichen Unplanbarkeit des Lebens mitbekommt, kommen unsere ganz individuellen, ureigenen Strategien zum Tragen. Sie sollen bewirken, dass die Welt für uns weiterhin sicher und vorhersehbar erscheinen kann. Das ist wichtig, und im Großen und Ganzen sinnvoll, wenn wir uns keine andere Möglichkeit zu Verfügung steht uns selbst zu beruhigen wenn das Eis mal dünner wird, wenn also das Leben andere Pläne mit uns hat als wir selbst.

Banale Beispiele, nicht existentiell, nicht lebensbedrohlich, aber für manche von uns in ihrer destruktiven Wirkung bestimmt wohlbekannt – jeder hat hier sicher seine ganz eigenen Varianten, die ihn aus der Bahn werfen: Eine unvorhergesehene Veränderung im eng gesteckten Tagesplan bringt uns emotional total ins Schlingern, das schlechte Wetter während des Jahresurlaubs im sonnigen Süden verdirbt uns die „schönste Zeit des Jahres“, das Gegenüber kommt uns in der wichtigen, Karriere-entscheidenden Verhandlung so gar nicht entgegen obwohl wir fest damit gerechnet haben. In solchen Situationen bekommen wir kurz einen Geschmack davon, dass wenig irgendwie sicher, vorhersehbar oder durch akkurate Planung immer vermeidbar ist. Oft kommen dann oben genannte Strategien ins Spiel. Viele davon wirken sich ungünstig auf unser Leben aus. Wir essen zu viel um unsere innere Unruhe nicht mehr zu spüren, wir rauchen um uns kurz mal zu beruhigen, wir treten so dominant oder so devot in Kontakt mit anderen Menschen auf, dass Beziehungen auf Augenhöhe unmöglich werden. Oder wir machen einen Schuldigen aus, wo es keinen gibt, und werden wütend auf eben diesen. Alles steht im Dienst die Illusion der Sicherheit aufrecht zu erhalten oder schlichter, die Unsicherheit und Unplanbarkeit des Lebens nicht spüren zu müssen.

Mancher Leser mag recht haben, wenn er denkt, dass diese Beispiele oben klingen wie ein schlechter Witz. Aber spüre morgen mal genauer hin und sei neugierig darauf, was Dich manchmal so – für einen Bruchteil einer Sekunde – emotional aus der Bahn wirft. Es ist wahrscheinlich nicht so weit weg davon. Und wie reagieren wir auf die wirklich ungesicherten Brüche im Leben? Zum Beispiel auf Verlust des sicher geglaubten Arbeitsplatzes, auf Trennung von geliebten Menschen, auf Unfälle oder Krankheiten mit schweren Konsequenzen, auf die wirklich keiner vorbereitet sein konnte? Wenn das Leben plötzlich überhaupt nicht mehr so verläuft wie es einmal geplant war. Spätestens dann müssen wir schmerzlich realisieren, dass eigentlich nichts sicher ist, trotz vieler Vorkehrungen. Sicherheit ist eine Illusion. Wir wissen es eigentlich nur zu gut und tun uns doch so schwer damit, dieses Wissen in unser Leben zu integrieren. Wie soll das eigentlich gehen?

Wie können wir denn sicherer werden? Ich glaube... gar nicht. Es geht darum sicherer im Umgang mit der Unsicherheit zu werden, die ohnehin unausweichlich da ist. Es geht darum, die Ohnmacht und die Angst vor dem „nicht zu wissen“ Stück für Stück mehr zulassen zu können. Es geht darum Kontrolle, die ja nur vermeintlich Sicherheit ermöglicht, ein Stück loszulassen. Aber es geht nicht nur ums Loslassen. Es geht auch um die Entdeckung neuer, sicherheitsspendender Lebenselemente abseits von Kontrolle. Um die Fähigkeit etwa zur Selbstberuhigung und Selbstfürsorge in Momenten der Unsicherheit etwa, und um intensivere Beziehungsqualität zu sich selbst und Menschen, die das Vertrauen genießen. Apropos Vertrauen... das hilft auch. Und auch hier gibt es meistens Spielraum, den man erkunden könnte. Vielleicht werden dann ein paar ungünstige Strategien einfach überflüssig. Keine leichte Aufgabe. Und darum geht das auch selten gut allein. Coaching kann ein erster Schritt auf dem Weg sein einen neuen Umgang mit der Unsicherheit und Unplanbarkeit des Lebens zu finden. Kontakt