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Je stürmischer die Zeiten draußen, umso wohltuender ist es, sich im eigenen Haus auszukennen
Nur wer sich selbst und seine Verhaltensmuster gut kennt, kann zu jeder Zeit über sein Verhalten bewusst entscheiden und sich selbst gut steuern. Wer in entscheidenden Momenten dem Autopilot das Steuer über sein Verhalten überlassen muss, der erzeugt nicht selten früher oder später Unzufriedenheit, Misserfolg und Leiden bei sich selbst und/oder im Umfeld. Selbststeuerung und gesunde Autonomie sind so nicht möglich. Und wir alle haben schon mehr als einmal erlebt: An den wichtigen Flussgabelungen trifft der Autopilot selten intelligente Entscheidungen für den natürlichen Fluss des Lebens.
Aber fangen wir mal am anderen Ende der Skala an... Solange wir uns in unserer Komfortzone wägen und die Welt um uns herum einigermaßen mitspielt, geht es uns gut. Wir kennen uns aus in unserem Haus. Unser Innenleben und das Meiste um uns herum scheint vorhersehbar, und wir rechnen damit, dass unsere Umgebung sich so verhält, dass wir unsererseits gut darauf reagieren können. Unbehagliches kann erfolgreich bewältigt oder auch mal situativ zur Seite geschoben werden. Unser inneres Erleben fühlt sich vertraut an. Auch wenn nicht alles perfekt ist (und auch nicht sein muss), wir fühlen uns sicher und Herr unserer Gemütslage. Die Selbststeuerung läuft, glauben wir. Zumindest scheint: Everything is under control.
Was ist mit Selbststeuerung gemeint? In Momenten, in denen ich mich selbst gut steuern kann, kann ich angemessen und realitätskonform mit mir selbst und mit meiner Umwelt umgehen. Der Realität angemessen bedeutet, dass meine Reaktion den Ereignissen der Realität entspricht. Ich kann mein Innenleben – also Gefühle, Gedanken, den Körper – wahrnehmen, einordnen und verarbeiten. Nichts muss weder unter- noch überdosiert daher kommen. Der anschließende Selbstausdruck dieser Wahrnehmungen bezieht sich dann im Idealfall auf das, was tatsächlich passiert.
Um der Realität angemessen zu begegnen, muss ich sie zuerst einmal unverschleiert wahrnehmen. Oft ist jedoch genau das nicht möglich. Jeder Mensch kennt diese Situationen, in denen ein individueller Schlüsselreiz genügt und es geht dahin mit der Selbststeuerung. Gedanken, Gefühle und Empfindungen steuern mich buchstäblich durch den Film, der dann abläuft. Und häufig frage ich mich dann im Anschluss, was dieser Film eigentlich mit dem tatsächlichen Ereignis zu tun hatte. Klar ist, dass ich nicht wirklich eine Wahl hatte, mich in diesen Sekunden für etwas anderes als diesen Film zu entscheiden. Im Nachhinein stellt man oft fest, dass man diesen Film schon tausend Mal gesehen hat.
"Schon wieder habe ich meinen Mitarbeiter runtergeputzt!!
"Schon wieder habe ich die Gehaltserhöhung nicht vehement eingefordert!"
"Schon wieder habe ich die Flasche Rotwein alleine ausgetrunken"
"Schon wieder habe ich nicht gekontert!"
Die Variationen sind endlos...
In diesen Momenten, in denen der Schlüsselreiz kommt, entscheidet das Unterbewusstsein in Sekundenschnelle über meine Reaktion. Oft laufen dann Defaultprogramme ab, die schon viele Jahre alt sind. Eine realistische Bewertung der Situation wird unter Ablauf eines solchen Defaultprogramms schwer. Und so passen Handlungsweisen dann auch nicht zur Realität. Und oft auch nicht zu dem, was man sich eigentlich vorgenommen hat. Dies sind Momente, in denen Möglichkeiten zur Selbststeuerung verloren gegangen sind. Es gibt keine Wahl, ob ich meinem Defaultprogramm folgen oder aussteigen will. Und gerade dann verhalten wir uns oft so, dass es für uns und/oder unser Umfeld destruktive Folgen hat.
Und dann knüpfen wir wieder an die Einleitung dieses Textes an: Nur wer sich selbst und seine Verhaltensmuster gut kennt, kann sich auch zu einem anderem Verhalten entschließen, als dem Defaultprogramm. Die Fähigkeit der Selbststeuerung gibt die Hoheit über den Umgang mit den eigenen Emotionen und daraus resultierenden Handlungen zurück. Besonders in stürmischen Zeiten, in denen Kontrolle über unsere Lebensumstände nur bedingt möglich ist (Veränderungen im Berufs- und Privatleben, Krisen, neue Lebensabschnitte), fühlen wir uns wohler, wenn wir Wahlmöglichkeiten haben.
Im Coaching werden problematische Situationen Stück für Stück aufgedröselt. Gemeinsam können Coach und Coachee den Programmcode entschlüsseln. Allein das Verstehen, was eigentlich abläuft, kann zügig eine deutliche Veränderung für den Coachee hervorrufen. Das Gefühl des "der Situation Ausgeliefertsein" nimmt ab und ein Gefühl gesunder Autonomie kommt auf. Neue Wahlmöglichkeiten können auf dieser Basis einfacher entwickelt werden.